Ich war kein Mann für den Familienpuff

Ein Familienpuff ist kein normaler Puff. Man kauft keinen Sex. Man bezahlt auch nicht mit Geld. Sondern mit Zeit, davon haben die Männer, die ihn regelmäßig aufsuchen, mehr als genug (im Gegensatz zu Geld). Im Gegenzug kommen sie einen Nachmittag lang in den Genuss des wärmenden Gefühls von Kindern und Familie, von Zusammen- und Dazugehörigkeit, von Geliebt- und Bewundertwerden. Die Männer, die in den Familienpuff gehen, haben selbst keine Kinder. Die sind Mitte 30, studieren im zwanzigsten Semester oder halten sich mit Jobs beim Messebau oder als Taxifahrer über Wasser und leben immer noch in Wohngemeinschaften. Ihr Freundeskreis besteht aus Gleichgesinnten, die allesamt viel kiffen und noch mehr trinken und sich im Rausch dem Traum hingeben, die Stadt, in der sie schon viel zu lange leben, eines Tages für immer zu verlassen. Diese Männer halten sich für die besseren Väter, nur weil sie mal einen Nachmittag lang den Hampelmann machen, wenn sie sich mit Freunden treffen, denn das ist der Deal, ich geb’ dir meine Zeit, du gibst mir dein Kind, und die Eltern sind froh, sich mal ein paar Stunden nicht kümmern zu müssen. Deshalb fahren diese Männer mit zum Grillen oder zum Baden oder zu einer Wanderung, die wegen Kinderwägen und schnell ermüdenden Kinderbeinen über einen kleinen Spaziergang in Parkplatznähe nie hinauskommt. Von diesen Männern taucht immer einer auf, mindestens, irgendjemand kennt immer irgendeinen, der mitkommt und den Kindern ein paar Schwänke aus seinem Leben erzählt, von denen nicht immer alle jugendfrei sind, und dabei stets darauf achtet, jede Frage so gewissenhaft und ehrlich wie möglich zu beantworten, stets bemüht, den Fragenden wie einen kleinen Erwachsenen zu behandeln. Die lassen Jungs auf ihre Schultern steigen, selbst wenn diese acht oder zehn Jahre alt sind und eigentlich fiel zu schwer für so was. Die stehen am Wasser und versuchen, einem kleinen Mädchen, das sie noch nie zuvor gesehen haben und beim nächsten mal wahrscheinlich gar nicht mehr wieder erkennen, das Schwimmen beizubringen oder das Tauchen oder irgendetwas anderes, woran die leiblichen Eltern schon seit Monaten oder Jahren herumlaborieren, aus Gründen positiver Erziehung verlieren sie dabei kein böses Wort, sondern loben jeden noch so kleinen Erfolg über den grünen Klee, selbst wenn es nicht mehr als ein halber Armstoß ist. Die jonglieren mit einer Coladose, einem Apfel und einer rohen Grillwurst und rufen laut „Oooh!“, wenn ihnen was runterfällt, wie die schlechte Kopie eines noch schlechteren Zirkusclowns. Die lassen sich theatralisch ins Gras fallen, wenn sie von einer Spielzeugpistole getroffen werden und einen Löffel unter einem großen Tuch verschwinden, um ihn aus dem Ohr eines staunenden Kindes wieder hervorzuziehen. Wer genau hinsieht, dem fällt auf, dass diese Kerle sich mit ihren Zauberstückchen nie zu weit von den anderen Erwachsenen entfernen. Wahrscheinlich wollen sie nichts von den Gesprächen der anderen Erwachsenen verpassen. Aber so gehaltvoll sind die ja meist gar nicht. Es ist schließlich Wochenende, allen steckt die Arbeits- und Familienwoche in den Knochen. Wahrscheinlich halten diese Männer die leiblichen Väter und Mütter für Rabeneltern, die die wirklichen Bedürfnisse ihrer Kinder gar nicht kennen. Am liebsten würden sie den Kleinen eine Unterschriftenliste hinhalten, in denen diese bestätigen, dass es mit Papi nie so lustig ist wie mit ihnen. Haben diese Kerle denn nichts anderes zu tun? Wenn sie auf Familie machen wollen, können sie doch genauso gut zu ihren Eltern gehen, oder nicht? Aber da gefällt es ihnen wahrscheinlich nicht. Da sind sie nur Kinder, die immer noch keine Kinder haben, und auch sonst wird an ihnen und ihrem Lebensstil herumgenörgelt, s.o.. Sie wollen aber nicht, dass jemand an ihnen herumnörgelt. Sie wollen hören, wie gut sie etwas machen. Sie wollen Verantwortung spüren, wollen Vater sein und großer Bruder und Patenonkel in einem. Das geht nur hier draußen. Sie könnten auch eine eigene Familie gründen. Aber das geht ja auch nicht, entweder sind diese Männer Singles und haben die richtige noch nicht gefunden (auch wenn sie ständig auf der Suche sind) oder sie kämpfen sich durch mehr oder weniger neurotische Beziehungen mit ebenso hübschen wie neurotischen Damen, von denen der Freundeskreis nur selten eine zu Gesicht bekommt. Kinder schenkt ihnen da keine. Nicht selten zu unrecht, da ist kaum mal eine dabei, der man raten möchte, eine Familie zu gründen.