Manchmal frage ich mich, was wohl ein Mensch, der mit den Gebräuchen des Schwarzwalds nicht vertraut ist, von uns hält. Mal angenommen, ein Nordkoreaner, der erstmals Urlaub im Ausland machen dürfte, würde sich als Reiseziel das Dreiländereck aussuchen und käme an einem Rosenmontag in ein x-beliebiges Schwarzwalddorf; der müsste doch denken, dass hier alles genauso ist wie daheim in Pjöngjang! Mit Orden behangene Machthaber mit spitzen Mützen lassen sich auf geschmückten Karossen, an denen Spruchbänder mit Parolen hängen, durch die Straßen fahren und vom Fußvolk bejubeln. Den Zuschauern können Schnee und Kälte nichts anhaben, dicht an dicht stehen sie am Wegesrand und lachen und bücken sich nach den Bonbons, die ab und zu von den Wagen fliegen. Eskortiert werden die Kader von Musikkapellen, jungen Frauen in kurzen Röcken und glockenbehangenen Menschen in bunten Kostümen. Die verstecken ihre Gesichter hinter Holzmasken, die Hunde, Insekten oder Obstsorten darstellen. Andere haben ebenmäßige, beinahe asiatische Gesichtszüge und wirken in ihren hellen Gewändern friedlich und sympathisch. Die größte Gruppe bilden Hexen, Teufel und Waldgeister mit langen Nasen, krummen Zähnen und schielenden Augen. Die traktieren das Volk mit Peitschen, Stöcken und Besen und ziehen immer wieder einzelne Zuschauer aus der Menge heraus und nehmen sie mit. Die Umstehenden sehen weg, keiner greift nicht ein, jeder ist froh, nicht selbst verhaftet worden zu sein. Wenn die Verschleppten irgendwann zurückkehren, jubeln sie weiter, als wäre nichts geschehen. Nach dem Umzug gehen alle ins Wirtshaus, wo sie einträchtig ein Bier miteinander trinken oder zehn. Am nächsten Morgen scheint alles vergessen zu sein, was in der Nacht zuvor passiert ist. Nein, ein Nordkoreaner sollte wirklich nicht an einem Rosenmontag in den Schwarzwald kommen. Eher zum Kilbifeuer. Oder zum Scheibenschießen. Oder zum Kirschtorten-Festival. Sonst bekommt er einen ganz falschen Eindruck von uns.